Plotter’s Paradise

Sie haben Ihr Plotbunny schon ein bisschen näher von allen Seiten betrachtet? Und schon eine Idee für Ihre Protagonistin oder Ihren Protagonisten? Also nichts wie in die Tasten gehauen und losgeschrieben? Gemach, gemach! Zuerst kommt der Plot. Den mögen Sie nicht, weil Sie generell nicht planen und Ihren Gedanken und Figuren kein Korsett anlegen wollen? Hhmmm …

Es gibt sogenannte Pantser, das sind Bauchschreiber, und Plotter, die erst mit einem detaillierten Gerüst anfangen zu schreiben. Pantser sind in der Regel diejenigen, die kreativer schreiben, sich damit aber auch häufig in Sackgassen schreiben; sie bräuchten mehr Struktur. Plottern mangelt es nicht an Struktur, ihre Geschichten verlaufen seltenst im Sande, aber ihnen täte etwas mehr Kreativität gut. Zu welcher Sorte Schreiber man selbst gehört, muss man für sich herausfinden. Am erfolgversprechendsten ist – wie so oft – die goldene Mitte.

Für einen Krimi würde ich aber immer einen recht sorgfältigen, weit ausgearbeiteten Plot empfehlen – Chekhov’s Gun muss ordentlich versteckt und die falschen Fährten logisch angelegt werden. Auch für eine Fantasygeschichte muss man die erfundene Welt sehr genau fixieren. Wenn in Hogwarts etwas als nicht möglich dargestellt wird, darf es nicht ein paar Kapitel später möglich sein, weil Autor*in das jetzt braucht. Sonst wird die Leserschaft bald nicht mehr folgen können und wollen.

Grundlegend

Die Geschichte ist das, was geschieht – der Plot ist die Art und Weise, wie Autor*in es geschehen lässt. Der Plot kümmert sich um das Beziehungsgeflecht der Ereignisse: Wie sind die Ereignisse miteinander verknüpft?
Viele Romane werden nicht allein durch ihre Story, sondern erst durch ihre Erzählweise zu dem, was sie ausmacht.
Der Plot befasst sich mit dem, WAS wir erzählen wollen und WIE wir es erzählen wollen. Wo soll die Geschichte anfangen, wo soll sie enden? In welches Genre zielen wir? Was wollen wir unseren Leser*innen mitgeben (Prämisse)? Alles rohe Vorgaben, die sich (insbesondere Genre) bis zum Romanende noch ändern können.

Ein Plot
• ist die Grundstruktur des Romans / der Geschichte
• ist der rote Faden der Geschichte
• bietet Orientierung, aber engt nicht ein
• hilft beim Anlegen einer tragfähigen Spannungskurve
• ist nicht statisch, sondern darf sich jederzeit verändern
• hilft einem, sich darüber klar zu werden, was wann erzählt werden soll oder muss

Bin ich mir über das Hauptthema und den Hauptkonflikt meiner Geschichte klar, habe ich meinen Protagonisten und die anderen Hauptfiguren gezeichnet, dann befasse ich mich mit den Meilensteinen und Twists der Geschichte. Hier kann ich sozusagen unter Laborbedingungen experimentieren: Was bewirken andere Charakterzüge, eine andere Perspektive, ein anderer Verlauf der Geschichte? In kürzester Zeit kann ich so zahlreiche Varianten ausprobieren, ohne Hunderte von Seiten für die Tonne schreiben zu müssen.

Am Plot kann ich ausmachen, ob die Motivation meiner (Haupt-)Figur stimmt, ob sie eine Entwicklung durchmacht.

Ich kann einen genaueren Blick auf den zentralen Konflikt meiner Geschichte werfen: Die Art des Konflikts entscheidet nicht nur über die Grundstimmung des Romans, sondern auch über die Handlungsweise der Figuren. Will ich beispielsweise eine homosexuelle Liebesgeschichte schreiben, macht es einen Unterschied, ob der zentrale Konflikt das Outing (also ein homophobes Umfeld) ist oder Missverständnisse zwischen den Liebenden.

Wieviel Plot ist nötig?

Ein Pantser wird sehr gut mit einem groben Gerüst auskommen, das ihm die Haupttwists und ggfs. nebeneinander herlaufende Erzählstränge in ganz kurzen Stichpunkten skizziert. Ein Plotter arbeitet das Gerüst in Stufen meist mit Szenenstichpunkten vom Pitch übers Exposé bis zur Kurzfassung des Romans aus. Da muss jede/r selbst ausprobieren, was am meisten hilft. Ein detailliert ausgearbeiteter Plot kann schnell Makulatur werden, wenn eine Romanfigur beschließt, anders als vorgesehen zu handeln. Ein grobes Gerüst hat manchmal zu viele Löcher, in denen sich die Geschichte verliert.

Die wichtigsten Figuren, die Wendepunkte und vor allem der Schluss sollten auf jeden Fall ordentlich skizziert sein. Ohne eine zumindest grobe Idee vom Schluss, auf den die Geschichte hinauslaufen soll, schreibt man sich fast unweigerlich in Sackgassen. Das Ende kommt nicht immer genau so, wie man es am Anfang erdacht hat, aber eine grobe Richtung braucht man beim Schreiben.

Vor allem Krimis müssen immer vom Ende her gedacht sein. Ein Krimi hat sozusagen einen Plot hinter dem Plot, denn die Geschichte kann man ja aus zwei Perspektiven denken / sehen: der des Ermittlers, der den Fall lösen möchte, und der des Bösewichts, der nicht geschnappt werden möchte – oder noch weitere Ziele hat.

Gerüst

Je nach Tiefe der Aufgliederung lässt sich eine Geschichte in drei, fünf, sieben oder noch mehr »Akte« einteilen.

Erster Akt

Im ersten Teil müssen Hauptfiguren und Hauptkonflikt zumindest angerissen werden. Ein Blick auf den unbefriedigenden Zustand bietet sich an – Leser*in soll wissen, wo die Protagonisten der Schuh drückt. Dieser erste Teil ist der Aufhänger, der Hook, der Angelhaken, an dem Leser*in in den Roman gezogen wird. Deshalb wirft er mehr Fragen auf als er Antworten bietet.

Wendepunkt

Daran schließt sich ein Wendepunkt an. Ein unerwartetes Ereignis oder eine überraschende Information bringt die Hauptfigur aus der Komfortzone. Hier wechselt die Handlung die Richtung, dieser Wendepunkt ist der Auslöser (Katalysator) für die Handlung der Geschichte. Man nennt ihn Plot Point 1, er leitet in den zweiten Teil über.

Zweiter Akt

Der zweite Teil ist der Hauptakt mit dem Höhepunkt. Die Hauptfigur durchläuft eine Anzahl von Erfolgen und Misserfolgen, die Spannung steigert sich. Innerhalb des Hauptteils gibt es mehrere Wendepunkte (Mid Point, Plot Point 2), an denen sich die Komplikationen weiter steigern, an denen der Antagonist seine Gefährlichkeit beweist. Erst wenn für die Hauptfigur alles verloren scheint, eine Entscheidung getroffen werden muss, dreht sich das Blatt. Ein letztes Puzzleteil stärkt die Hauptfigur und löst den Hauptkonflikt. Der zweite Akt hat die Aufgabe, Leser*innen bei der Stange zu halten, er ist der Hold.

Dritter Akt

Der Hauptkonflikt ist gelöst, jetzt werden letzte Fragen, Nebenkonflikte und Handlungsstränge aufgelöst und zu einem logischen Ende gebracht. Die Leserschaft muss das Gefühl haben, dass sich das Lesen gelohnt hat (Payoff).

Ebenen

Haben Sie Ihren Plot jetzt fertiggestellt, gehen Sie ihn noch einmal auf alle Fragen und Kriterien durch. Achten Sie auch darauf, dass in Sachen Handlung, in Sachen Gefühl und in Sachen Entwicklung ein ausgewogenes Verhältnis herrscht. Idealerweise sollte jeder Teil alle drei Ebenen bedienen – nicht paritätisch, aber es sollte von allem etwas drin sein.

Handlung ist das, was in der Geschichte passiert. Wird diese Ebene vernachlässigt, entstehen statische Romane mit viel inneren Monologen. Mit Gefühl ist das Beziehungsgeflecht zwischen den Figuren gemeint: wer mag wen, wer behindert wen. Defizite auf der Gefühlsebene führen zu plotgetriebenen Geschichten, wie man sie oft in modernen Thrillern findet. Auf der Entwicklungsebene geht es um die Veränderung der Figuren im Laufe der Geschichte, was lernen sie, wie prägt das Erlebte sie? Zu wenig Beachtung dieser Ebene erzeugt in der Regel klischeehafte Figuren.

Alles durchdacht und in Stichpunkten festgehalten? Prima! Dann hauen Sie in die Tasten!

Na, haben Sie Ihren Plot schon fertig? Schreiben Sie es mir gern in die Kommentare!

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