Übersetzungslektorat:
Feinschliff und sprachliche Präzision

Belletristisches Übersetzen – und nur davon soll hier die Rede sein – ist sehr anspruchsvoll, manchmal zum Verzweifeln und am Ende (meist) außerordentlich befriedigend.

Übersetzer*innen tauchen mindestens genauso tief in einen Text ein wie Autor*innen. Denn sie müssen ja jede Emotion, jede Redewendung nicht nur in die andere Sprache übertragen, sondern dabei auch immer die entsprechende Stimmung aufnehmen und in der Zielsprache »nachbauen«.

In der Regel werden Texte von der Fremdsprache in die Muttersprache übertragen. In der Sprache, die man bereits »mit der Muttermilch« aufgesogen hat, stehen einem meist ein größerer Wortschatz und bessere Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung.

Warum braucht es dann noch ein Lektorat?

Jeder, der tief in einer Geschichte drin ist, verliert die Neutralität und den klaren Blick von außen. Deshalb wenden sich ernsthafte Autor*innen an ein Lektorat. Auch Übersetzer*innen kennen Charaktere und Handlung in- und auswendig, häufig stehen sie ja mit den Autor*innen auch in engem Kontakt. Natürlich kommt man früher oder später an einen Punkt, an dem man einfach betriebsblind wird – deshalb zählt ein Übersetzungslektorat mittlerweile zu den unverzichtbaren Qualitätsmaßnahmen.

Hinzu kommt, dass auch bei den besten Übersetzer*innen hier und da sich eine Redewendung in den deutschen Text einschleicht, die zu viel Ähnlichkeit mit dem fremdsprachigen Original hat – der Text liest sich holprig. Gelegentlich tappt jemand in die Falle eines »false friend«, ab und zu schleichen sich ein wenig Denglish oder unangebrachte Anglizismen ein.

Nicht zuletzt gibt es auch Unterschiede bei den Erwartungen der Zielgruppen des Originalwerks und des übersetzten Buches. Beispiele: Im anglo-amerikanischen Raum ist Headhopping beliebt und normal, im deutschsprachigen Raum gilt es als schreibhandwerklicher Fehler und irritiert die potenziellen Leser*innen. Ein Scherz, über den im einen Kulturkreis herzlich gelacht wird, kann in anderen Kulturkreisen eher zu Missstimmung führen.

Da muss mit viel Fingerspitzengefühl ein Weg gefunden werden, der sowohl dem Originaltext gerecht wird als auch den Erwartungen der deutschen Zielgruppe. Am Ende steht im Idealfall nicht eine Übersetzung (der man anmerkt, dass sie eben genau »nur« das ist), sondern eine Adaption.

Was ist mit maschinellen Übersetzungen?

Grundlegend ist es nicht Aufgabe von Lektor*innen, inhaltliche Mängel auszubügeln oder gar eine Neuübersetzung anzufertigen – das trifft natürlich auf maschinelle Übersetzungen umso mehr zu. Die mögen inzwischen eine gute Rohversion abgeben, sind aber nicht dazu geeignet, unbearbeitet ins Lektorat zu gehen. Autor*innen geben ja die NaNoWriMo-Rohversion ihres Romans auch nicht direkt ins Lektorat.

Trotzdem landen immer wieder Texte frisch aus dem Auswurfschacht von DeepL & Co. auf den Schreibtischen der Lektor*innen. Dass hier der Aufwand deutlich größer ist als bei einer sorgfältigen Übersetzung der MI (menschlichen Intelligenz), dürfte klar sein. Für ein solches Lektorat ist zudem die Vorlage des fremdsprachigen Originals unabdingbar.

Wie ist ein Übersetzungslektorat einzuordnen?

Das Lektorat einer sorgfältigen Übersetzung vereint Elemente des Lektorats mit denen von Korrektorat und Übersetzung. Im Idealfall ist eine gute Zusammenarbeit mit regelmäßigem Austausch zwischen Übersetzer*in und Lektor*in anzustreben. In der Realität gestaltet sich das oft schwierig.

Es gibt im Übrigen auch Kolleg*innen, die sich absichtlich das fremdsprachige Original nicht vorlegen lassen, um sich ganz auf den deutschen Text konzentrieren zu können.

Wie bei jedem Lektorat gilt: Bitte planen Sie genügend Zeit für das Lektorat und dessen Umsetzung ein! Mit einer Hauruck-Aktion ist niemandem geholfen – nicht dem Autor, nicht dem Übersetzer, nicht dem Lektor und auch nicht dem Leser.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Oktober-Ausgabe 2023 des Bookerfly-Magazins


Fertigen Sie Übersetzungen an? Wie sind Ihre Erfahrungen mit einem Übersetzungslektorat? Lassen Sie es mich wissen und schreiben Sie es mir in die Kommentare.

1 Kommentar zu „Übersetzungslektorat: </br>Feinschliff und sprachliche Präzision“

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