Alien-Invasion in die deutsche Grammatik?

Die Einbürgerung von Fremdworten hat zweifellos ihre Tücken, aber wer will schon mit einem coolen neuen Ausdruck zusammen gleich die Grammatik der Ursprungssprache importieren? Als wenn wir nicht schon genug Probleme mit der Grammatik unserer Muttersprache hätten …

Wörter wie Sales, Flatrate und Coffee to go sind allgegenwärtig in unserem Land. Aber Fremdwörter bergen so einige Risiken: Man kann sie falsch schreiben, ihre Bedeutung falsch interpretieren, sie falsch aussprechen und – sie leicht verwechseln. Das Einverleiben von Ausdrücken oder Redewendungen fremder Sprachen in die eigene hat Tradition. Lange galt Latein als Ausdruck von Bildung – und die medizinischen Berufe schwören heute noch drauf. Hätten Sie gewusst, dass zahlreiche deutsche Worte aus dem Arabischen entlehnt sind? Zwischen den Weltkriegen war Französisch en vogue und seit den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrtausends schwappt eine immer größer werdende Welle an Amerikanismen zu uns herüber.

Die Vorliebe für Englischsprachiges beschränkt sich nicht auf einzelne Wörter, da werden gleich ganze Redewendungen übernommen – wörtlich übersetzt natürlich. Wer noch nie »Das macht Sinn« oder »Erinnerst du das noch?« gehört oder gar selbst gesagt hat, der hat die vergangenen Jahrzehnte vermutlich auf einer Insel sprachlicher Glückseligkeit verbracht. Dabei ist es beileibe nicht das Englische – oder vielmehr Amerikanische – allein, das uns offenbar fasziniert. Mit dem Schwärmen für Urlaubsländer wie Italien oder Spanien plätscherte schon die nächste Welle freiwillig übergelaufener oder gewaltsam eingeschleppter Ausdrücke heran.

Aber wie geht man mit den schönen neuen Ausdrücken im deutschen Text um?

Latein, die Sprache der Gebildeten, übernahm die hauseigene Pluralbildung ins Deutsche. Auch heute noch ist ein Visum, mehrere Visa korrekt, ebenso wie einem der Arzt ein Antibiotikum verschreibt, aber mehrere Antibiotika kombiniert. Der Jungakademiker heute reiht Praktikum an Praktikum und absolviert damit unzählige Praktika. Und weitertragen kann man nur Firmeninterna, aber keine Internas, weil das ein doppelt-gemoppelter Plural wäre.

Anders sieht das bei moderneren Eingliederungen aus. Vielen Worten, die auf einen Vokal enden, hängt man deutscher Grammatik zufolge für den Plural einfach ein -s an – und so geht man korrekterweise auch mit einverleibten Ausdrücken um. Richtig ist also, Hobbys, Babys, Teddys, Ladys, Partys, Ponys und Storys zu schreiben. ›Aber hallo!‹, sagen Sie, wo Sie doch im Englischunterricht ordentlich aufgepasst haben. Stimmt, Engländer (und Iren …), Amerikaner (und anglophile Kanadier …) sowie Australier (und Neuseeländer …) würden den Plural korrekt bilden als Hobbies und Stories, denn im Englischen verwandelt sich ein y am Wortende im Plural in ein -ies. Aber mal ehrlich: Hat uns noch ein Schwung ausländischer Grammatikregeln in unserem eigenen deutschen Grammatik-Dilemma nicht gerade noch gefehlt?

Nebenbei: Ein Teenie und ein Hippie stehlen sich von nirgendwo im Plural ein y – in mehr als einem Exemplar sind es Teenies und Hippies. Und nochmal nebenbei: Grotesk wird es, wenn eine deutsche Worterfindung im Englisch-Stil nach englischer Grammatik behandelt wird – aber Hand aufs Herz: Wie oft haben Sie schon von Handies gelesen?

Wie sieht es mit Italienisch und Spanisch aus?

Der Mann (und die Frau) von Welt lassen natürlich gern durchscheinen, dass sie des Italienischen mächtig sind – also zumindest ein paar Brocken aus dem Italienisch-Crashkurs für den Urlaub behalten haben. Deshalb bestellen sie beim Italiener um die Ecke in ihrer Heimat selbstverständlich »zwei Espressi«. Die deutsche, osteuropäische oder asiatische Bedienung verdreht innerlich die Augen und serviert »zweimal Espresso, die Herrschaften«.

Ihre Nachbarin mit dem Oberlehrer-Gen macht sie unaufgefordert beim Gemüsehändler darauf aufmerksam, dass Sie, wenn Sie nur eine Frucht möchten, die Verkäuferin um einen Zucchino bitten müssen. Lassen Sie sich nicht beirren und bleiben Sie einfach bei einer Zucchini und mehreren Zucchinis – außer natürlich, Sie sind in Italien und sprechen leidlich Italienisch.

Es gibt außerdem kein anderes Land, dessen Bevölkerung sich so viel Mühe gibt, ausländische Ausdrücke der Ursprungssprache gemäß auszusprechen wie Deutschland – kein Italiener käme auf die Idee, sich für sein Fahrziel München die Zunge zu verknoten. Der fährt einfach nach Monaco. Aber in Deutschland herrscht Krieg zwischen ›Majorka‹- und ›Malorka‹-Urlaubern. Warum versuchen wir Deutschen verzweifelt, wie Muttersprachler zu klingen? Bei Paris und London hat es doch mit einer deutschen Version auch geklappt.

Da ist doch noch mehr als der Plural und die Aussprache, oder?

Das IT-Zeitalter hat uns eine wahre Flut an neuen Fachausdrücken beschert – alle aus dem Amerikanischen entlehnt. Während viele davon inzwischen deutsche Ausdrücke gleicher Bedeutung verdrängen, hat sich bei anderen niemand die Mühe gemacht, für diese neuen Fachausdrücke deutsche Entsprechungen zu erfinden. Statt ein Update zu fahren, kann man prima auch eine Aktualisierung durchführen, statt eine Datei zu downloaden, kann man sie ebenso gut herunterladen – und erspart sich damit auch noch die grammatikalische Frage, ob es ›zu downloaden‹ oder ›downzuloaden‹ heißen muss.

Aber simsen und chatten passen halt perfekt zu den verschickten SMS und den Chats, an denen man teilnimmt. Auch stylen, (ver-)pixeln oder scannen gehören mittlerweile zur Alltagssprache, ich jedenfalls wüsste keine prägnante Entsprechung im Deutschen. Und nochmal: Ins Deutsche eingemeindete Wörter werden nach deutscher Grammatik behandelt. Wir recyceln, designen und mailen also, ärgern uns über gecancelte Flüge und haben unsere Mitarbeiter gebrieft. Inzwischen sind auch frisierte Motoren getunt und etwas perfekt getimt.

Die Seuche Denglisch

Und dann gibt es da noch die ganz pfiffigen Konsorten, die unter dem Tarnnetz daherkommen. Sie bedienen sich deutscher Wörter, kommen aber mit krudem Satzbau daher. Heute mag man noch stutzen, aber in ein paar Jahren werden sie die deutsche Syntax komplett unterwandert haben. Die Rede ist von wortwörtlich übersetzen amerikanischen Ausdrücken und Redewendungen.

Woher kommt’s? Relevante Nachrichten aus der ganzen Welt finden Redakteure heute (fast) nur noch auf englischsprachigen Kanälen. Die werden dann flugs übersetzt – und schon lesen wir von der Trump-Familie (oder noch schlimmer: gleich Family), der Biden-Regierung und den Baby-Elefanten. Wenn es ganz schlimm kommt, werden auch die Bindestriche noch eingespart, weil sie im Amerikanischen nicht gesetzt werden.

Sicher, wenn amerikanische Politiker unter dem Scholz-Syndrom leiden, sagen sie: »I can’t remember that«. Prompt schafft es die wörtliche Übersetzung ›Ich kann das nicht erinnern‹ oder, verkürzt, ›Ich erinnere das nicht‹ in die Internet-Meldung. Etwas macht eben keinen Sinn, weil es im Amerikanischen ›it makes sense‹ heißt. Genauso wenig meint etwas dies oder das, denn die korrekte Entsprechung für ›translating means converting‹ ist eben nicht ›Übersetzen meint Übertragen‹. Solche Dinge haben zwar eine Bedeutung, aber eben keine Meinung. Übrigens auch im Englischen nicht, denn auch dort wird ein Unterschied gemacht zwischen ›meaning‹ (= Bedeutung) und ›opinion‹ (= Meinung). Nach demselben Muster haben sich ins Deutsche eine Reihe englischstämmiger Redewendungen eingebürgert. Wer sagt heute noch ›Wer zuerst kommt, mahlt zuerst‹? Nein, heute heißt es ›Der frühe Vogel fängt den Wurm‹. Wie oft haben Sie schon gehört, dass ›am Ende des Tages‹ sich etwas so ergeben oder anders interpretiert werden könne? Am Ende des Tages, also am Abend? Nein, sondern schließlich oder unter dem Strich.


Sind Sie genauso gespannt wie ich, wie lange manche heute noch befremdlich wirkenden Ausdrücke und Redewendungen noch brauchen, bis sie es in den Duden geschafft haben? Lassen Sie es mich wissen und schreiben Sie es mir gern in die Kommentare!

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