Eine Lanze für Anthologien

In der Kürze liegt die Würze – und die hat es oft in sich! Warum Anthologien im Buchhandel ein völlig unverdientes Schattendasein fristen …

Anthologien, im Wortsinne eine »Blütenlese«, haben eine lange Tradition: In der Antike verstand man darunter Werke besonders vorbildlich eingeschätzter Autoren, heute nutzt auch das Fernsehen diese Form als sogenannte Serien-Anthologie und meint damit Episoden mit unterschiedlichen Figuren und Handlungen unter dem Dach einer gemeinsamen Staffel mit einem vereinenden Thema. Anthologien bieten eine breite Palette von Werken, fördern die künstlerische Vielfalt und bieten eine praktische Möglichkeit, verschiedene Arbeiten in einer einzigen Sammlung zu erleben.

Literarische Anthologien gibt es in unterschiedlichen Formen:
• als Sammlung verschiedenartiger Arbeiten eines Autors oder einer Autorin
• als Sammlung von Texten unterschiedlicher Autor*innen, die derselben Gattung, demselben Genre oder demselben Thema zuzuordnen sind
• als Sammlung von Texten unterschiedlicher Autor*innen, die einer zeitlichen Epoche oder einer Region zuzuordnen sind
• als abschließende Publikation der Gewinnergeschichten nach einem Wettbewerb

Dass diese Literaturform unschätzbare Vorteile für Autor*innen hat, habe ich in einem früheren Schreibtipp zum Thema Kurzgeschichten bereits angerissen. Für die Leserschaft bietet diese von einem Herausgeber verantwortete Publikationsform eine wahre Fundgrube.

Welche Vorteile haben Anthologien für die Leser*innen?

In der Pause oder am Abend ein lustiges, spannendes oder inspirierendes Buch lesen? Wer schafft das schon zeitlich? Und wer kann dem Sog eines guten Pageturners schon widerstehen? Die Ringe unter den Augen am nächsten Morgen oder der Rüffel des Chefs bei der verspäteten Rückkehr aus der Pause sind da ziemlich unangenehme Nebenwirkungen. Viel passender ist eine Geschichte aus einer Anthologie – Sie können sicher sein, einen guten Krimi in angemessener Zeit bis zum Ende verfolgen zu können …

Sie sind auf eine Autorin, einen Autor aufmerksam geworden, dessen hochgelobtes Werk Sie gern lesen würden? Bevor Sie sich den dicken Wälzer zulegen, schnuppern Sie doch einfach mal in eine Kurzgeschichte des Autors oder der Autorin in einer Anthologie hinein – dann wissen Sie schon einmal, ob Sie mit dem Schreibstil etwas anfangen können …

Die guten Krimiautorinnen haben Sie alle schon ausgelesen, gehypten anderen Autoren können Sie nichts abgewinnen? Schnappen Sie sich eine Krimianthologie und entdecken Sie Ihren nächsten Lieblings-Krimiautor!

Ach, Krimi ist zwar Ihr Lieblingsgenre, aber Sie möchten auch mal was anderes lesen? Aber Sie wissen nicht, welches andere Genre Sie elektrisiert? Mit einer Anthologie haben Sie eine Auswahl an Autorinnen / Autoren und Interpretationen des Genres in konzentrierter Form.

Warum zählen Anthologien nicht zu den Bestsellern?

Trotz aller Vorteile scheint der zeitgenössische Lesegeschmack eher Richtung längere Geschichte zu gehen. Vielleicht mögen sich manche auch nicht im Rahmen eines Buches auf ein Dutzend oder mehr unterschiedliche Schreibstile oder Interpretationen einlassen.

Fakt ist, dass Anthologien in den wenigsten Verlagen zu den Zugpferden gehören – entsprechend wenig finanzielle und personelle Ressourcen werden in das Marketing gesteckt. Der Buchmarkt ist aber äußerst wettbewerbsintensiv, was nicht mit viel Aufwand in den Fokus der Leser*innen gerückt wird, geht meist in der großen Masse unter. Die zusätzliche Konkurrenz in Form von Online-Texten und TV-Serien macht es auch nicht besser.

Natürlich steht und fällt eine Anthologie auch mit der Auswahl der Texte. Schwankt die literarische Qualität der verschiedenen Texte zu sehr, dann hält sich das Lesevergnügen sehr in Grenzen. Und selbstverständlich wird der Markt auch mit vielen Anthologien geflutet, sodass es für Leser*innen nicht ganz einfach ist, die passende herauszupicken.

Fazit

Für mich persönlich zählen Anthologien zu den gern gelesenen literarischen Werken – wenn dann noch zugkräftige Autorennamen Geschichten beigesteuert haben und die Auswahl gelungen ist, steht den nächsten kuscheligen Leseabenden nichts mehr im Wege.


Lesen Sie Anthologien? Was reizt Sie daran – oder, wenn nicht, warum mögen Sie keine? Lassen Sie es mich wissen und schreiben Sie es mir in die Kommentare!

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