Westfalen weltweit

Angeregt durch den Slogan eines Zuchtverbandes, musste ich zwei Leben miteinander verweben – es juckte mich in den Fingern und unrealistisch ist es wahrhaftig nicht …

Tosender Applaus brandete in der großen Halle in Münster-Handorf auf, als Prinz Pedro gelassenen Schrittes die Arena betrat.

»Meine Damen und Herren!« Der Ansager versuchte sich mithilfe des lauter gestellten Mikros Gehör in diesem Lärm zu verschaffen. »Lassen Sie uns heute …«

Es war aussichtslos. Ein nervöser Blick zur Uhr. Sie waren ohnehin schon in Verzug. Er musste eine kurze Anweisung an die Regie geben, die sich darum kümmern würde, die Akteure der folgenden Programmpunkte zu informieren.

»Lassen Sie uns heute …« Ganz allmählich ebbte das Klatschen, Pfeifen und Füßetrampeln ab.

»Meine Damen und Herren, lassen Sie uns heute einen ganz besonderen westfälischen Helden ehren.« Kunstpause. Das musste sein, das hatte er sich genau für diese Ehrung so vorgenommen. Scheiß was auf den Zeitplan!

»Seine Wiege stand in Großbritannien, er ist in Polen aufgewachsen.« Wieder folgte eine Kunstpause. Diesmal aber, weil er einen Zettel suchen musste, um nur ja nichts Falsches zu verkünden.

»Seinen ersten Auftritt auf großer Bühne, meine Damen und Herren, hatte er exakt an dieser Stelle. Hier in dieser Halle.« Ja, das war so, nur war er damals noch nicht Ansager gewesen. Er konnte also kaum damit prahlen, seinerzeit schon gewusst zu haben, was in dem Kerl steckte.

»Ein in den Niederlanden lebender Belgier ist sein Besitzer, eine in Österreich lebende Schwedin stellt ihn vor.« Schon witzig, wie alles sich gefügt hatte – hier waren sie zu Hause gewesen und dann in alle Welt ausgeschwärmt. Und doch stellte dieser Prinz Pedro das stabile Verbindungsglied zwischen ihnen dar. Noch immer.

»Seine größten sportlichen Erfolge feierte er im französischen Le Lion d’Angers bei der Weltmeisterschaft der Youngsters und Jahre später im italienischen Pratoni del Vivaro mit der Goldmedaille bei der Europameisterschaft.«

Die Zuschauer wurden wieder lauter, Beifall brandete erneut auf. Ja, die überraschende Goldmedaille hatte man dem »Prinzen« vor gerade mal zwei Monaten umgehängt. Er musste sich beeilen, bevor das Publikum wieder völlig aus dem Häuschen geriet.

»Westfalen weltweit, meine Damen und Herren! Besser kann man diesen Slogan ganz sicher nicht umsetzen.« Er wusste, dass er nach diesem Satz für lange Zeit keine Möglichkeit mehr hätte, sich Gehör zu verschaffen. Versonnen betrachtete er den Hauptakteur unten in der Arena. Was dem wohl durch den Kopf ging?

Der wusste gar nicht, warum er hier so ganz allein stillstehen musste und alle Leute sich wie wild gebärdeten. Er war doch nur ein Pferd …

© Karin Schweiger 2023


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