Lesungen – Teil II

Jede Autorin, jeder Autor steht nach dem fertig erschienenen Buch vor der Frage: Lesung – ja oder nein? Und wenn ja, wie und wo? Hier ein paar – sicher nicht ultimative – Tipps für das Davor, Dabei und Danach (Teil 2)

Vorbereitung

Sehen Sie sich den Veranstaltungsort unbedingt vor der Lesung genau an – und zwar nicht erst eine Stunde vorher. Klären Sie mit den zuständigen Personen, wie sich beide Seiten die Veranstaltung vorstellen, welche Ihrer Wünsche umsetzbar sind und wo Sie umplanen müssen. Gibt es weder weiße Wand noch Leinwand, dann müssen Sie entweder selbst eine Leinwand (und vermutlich auch einen Beamer, der sich dann hoffentlich mit Ihrem Laptop verträgt) besorgen oder das Thema Multimedia für diese Veranstaltung einen Heldentod sterben lassen. Lehnt die Buchhandlung aus Angst vor Fettflecken auf den Büchern Essen in ihren Räumlichkeiten ab, müssen Sie Ihrem Ofen freigeben bzw. den Caterer abbestellen. Machen Sie auch einen Soundcheck – hört man Sie überall dort, wo Publikum sitzen soll? Wenn nicht, besorgen Sie sich lieber eine Mikrofon-Ausstattung als die ganze Lesung über zu schreien.

Wie wird nun aber Ihr Lesungstermin bekannt, damit möglichst viel Publikum kommt? Es ist weder für die/den Lesende/n selbst noch für die Helfer der gewählten Location schön, wenn gerade mal drei Leute kommen – aber es gibt, vor allem wenn Sie Ihre allererste Lesung halten, Schlimmeres als ein entspannter Trainingsabend im unbeabsichtigten Stil einer Wohnzimmerlesung.

Klar, auf Ihrer Autoren-Website sollte der Termin prominent platziert werden. Und natürlich sollten Sie auch Ihre Social-Media-Kanäle entsprechend füttern. Heißer Tipp einer Kollegin: Nehmen Sie Ihr aktuelles Buch und / oder Ihre aktuellen Lesungstermine in Ihre E-Mail-Signatur auf. Schön wäre natürlich, wenn auch die Veranstalter oder sogar die Gemeinde in ihren Veranstaltungskalendern den Termin aufnehmen.

Sie können in der Umgebung Flyer auslegen und Plakate aufhängen – Bäcker, Metzger und Supermarkt besucht fast jeder regelmäßig. Die »Ausbeute« aus Ihrer Zielgruppe wird dabei aber relativ gering bleiben, zudem müssten Flyer und Plakate schon professionell gestaltet sein, um aufzufallen und im Gedächtnis zu bleiben. Mehr Zuschauer locken Flyer und Plakate sicher in buchaffiner Umgebung an – bemühen Sie sich darum, dass Büchereien und Buchhandlungen Ihre Flyer auslegen.

Die lokale Presse laden Sie natürlich zu Ihrer Veranstaltung ein, allerdings dürfen Sie nicht damit rechnen, dass wirklich jemand kommt. Aber zur Einladung packen Sie auf jeden Fall ein gutes, aussagekräftiges Bild und eine knackige, gut geschriebene Vorschau auf den Lesungstermin. Mundgerecht serviert, steigen Ihre Chancen, dass der zuständige Redakteur Ihren Termin in die Zeitung setzt. Vergessen Sie bei Ihrer Werbekampagne bitte weder die lokalen Radiosender noch – sofern vorhanden – lokale TV-Sender. Selbst wenn die den Termin »nur« auf ihre Websites setzen, ist auch schon etwas gewonnen.

Dann wird es aber auch schon höchste Eisenbahn, Ihre Lesestellen auszusuchen und sich Gedanken über den genauen Ablauf der eigentlichen Lesung zu machen. Die gelesenen Passagen sollen – je nach Art des Buches – spannend, humorvoll oder nachdenklich sein und möglichst mit einem Cliffhanger enden. Lesestellen dürfen auch gekürzt oder »zusammengestückelt« werden – Hauptsache, das Publikum kann noch folgen, ohne das Buch zuvor gelesen zu haben.

Als erste Lesestelle bietet sich natürlich der Romananfang an. Da haben Sie viel, viel Mühe drauf verwandt, Ihre Leserschaft in die Geschichte zu ziehen. Genau dasselbe wollen Sie ja auch bei der Lesung erreichen. Und Sie müssen dem Publikum nicht sperrig erzählen, »was bisher geschah«. Aber Vorsicht: Wenn das Buch nicht erst am Tag der Lesung auf den Markt kommt, kann jeder offline und online vermutlich irgendwo den Anfang (als Leseprobe) lesen – dann also eine andere Stelle herausgreifen. Oder Sie überlassen Jeff Bezos & Co. den Prolog als Leseprobe und Sie steigen mit dem ersten Kapitel in den Roman bzw. die Lesung ein.

Sind die folgenden Lesestücke nicht der direkte Anschluss zur ersten Passage, müssen Sie Ihr Publikum natürlich aufklären und kurz erwähnen, wo sie sich jetzt zeitlich und örtlich befinden.

Sind Sie mit Ihrem Werk auf Lesetournee, müssen Sie sich nicht unbedingt starr an die einmal getroffene Auswahl der Lesestücke halten. Vielleicht stellen Sie jede Lesung unter ein bestimmtes Motto, dem die ausgewählten Passagen dann wie am roten Faden folgen. Oder Sie wählen die Stellen mit Bezug zum Leseort aus. Spielen etwa bekannte Steinfiguren aus Landsberg und aus Tussenhausen in Ihrem Buch eine Rolle, so bieten Sie dem Landsberger Publikum natürlich eine Lesung mit Schwerpunkt auf Landsberger Figuren, während das Tussenhausener Publikum sich vermutlich mehr für den heldenhaften Einsatz der dortigen Figuren interessiert. Je nach Thema und Zuschauern ändert sich der Präsentationsstil. Eine Lesung verträgt Videoclips, die nächste Musikbegleitung, die dritte Ratespiele mit dem Publikum …

Es bleibt Ihnen überlassen, ob Sie lieber aus einem Buch lesen oder ob Sie sich die Lesestellen gegebenenfalls in größerer Schrift auf Papier ausdrucken. In ersterem Fall kann es Ihnen nicht passieren, dass eine Loseblattsammlung auf den Boden fällt; zweitere Variante gibt Ihnen mehr Raum für Bemerkungen – aber tragen Sie unbedingt Seitenzahlen auf Ihren Blättern ein, falls …

Scheuen Sie sich nicht, im Buch oder auf den Blättern mit farbigen Markierungen, Strichen, Kringeln oder Unterschlängelungen kenntlich zu machen, wo Sie etwa Pausen einlegen oder mit anderer Stimme sprechen müssen, wo Sie etwas besonders betonen oder welcher Schludrigkeiten beim Sprechen auch immer Sie Einhalt gebieten wollen. Allerdings sollten Sie auch bei größter Nervosität noch wissen, was der dicke Strich zwischen den beiden letzten Buchstaben oder die gelbe Markierung zu bedeuten hatte.

Alles vorbereitet? Prima, dann heißt es: Üben, üben, üben. Ja, den Hinweis darauf, langsam(er) zu lesen, kennt wohl jede/r, die/der sich mal mit dem Thema Vorlesen befasst hat. Denken Sie daran, dass es schwerer ist zuzuhören als zu lesen. Nehmen Sie sich ein gutes Hörbuch und hören Sie da mal rein – so sollte die Geschwindigkeit beim Lesen sein. Nehmen Sie sich beim Vorlesen auf Video auf und sehen und hören Sie sich die Aufzeichnung kritisch an – wo müssen Sie bei der nächsten Runde noch nachfeilen?

Bitten Sie Ihre/n Partner/in, einen oder mehrere Freunde und Bekannte, mal Publikum zu spielen – und lassen Sie sich dann ehrliches Feedback geben. Zu guter Letzt nehmen Sie sich eine Stoppuhr zur Hand (oder nutzen die Stoppuhrfunktion Ihres Smartphones) und zählen mal zusammen, was an dem geplanten Lesungsabend alles wie lange dauert. Länger als zwei Stunden sollte eine Leseveranstaltung nicht sein, kürzer als eine Stunde auch nicht – es sei denn, Sie sind nur Teil einer Veranstaltung.

Probieren Sie aus, Ihre Stimme zu verstellen. Probieren Sie szenische Darstellung aus. Wenn es klappt, können Sie Punkte gutmachen bei der Lesung. Wenn es aber bei den Proben schon nur so lau hinhaut, streichen Sie das. Bei der Lesung werden Sie viel zu nervös sein, um etwas durchzuziehen, was zu Hause schon nicht hundertprozentig funktioniert hat.

Am besten organisieren Sie sich bei dieser Probelesung auch gleich ein paar zuverlässige Helferlein. Sie brauchen eine/n für die Technik (wenn nötig). Außerdem brauchen Sie eine/n für Foto- und Videoaufnahmen. Hat jemand in Ihrem Bekanntenkreis auch etwas vom Rampensau-Gen abbekommen, verpflichten Sie ihn/sie gleich. Es wirkt professioneller und Sie können sich auf Ihre Lesestücke konzentrieren, wenn jemand anders durch den Abend führt und die Veranstaltung moderiert. Schließlich brauchen Sie noch einen »Referenzmenschen«, der im Publikum sitzt und Ihnen Hinweise zu Lautstärke, Tempo oder Problemen gibt. An diesem Referenzmenschen können sich auch Ihre Augen festhalten, wenn Sie ins Publikum blicken. Der/diejenige kann beispielsweise auch dafür sorgen, dass nach jedem Lesestück geklatscht wird. Ebenso kann der Referenzmensch bei einer Fragerunde für interessante Diskussionen aus und im Publikum sorgen.

Falls die Lesung nicht in der Nähe Ihres Wohnortes stattfindet, erkundigen Sie sich rechtzeitig beim Veranstalter, wo Sie untergebracht sind, ob Sie abgeholt werden und wie Sie nach der Lesung wieder zurück ins Hotel kommen.

Und packen Sie Ihren Tools-Koffer nicht auf den allerletzten Drücker. Denken Sie gegebenenfalls auch an stilvolles Ambiente: Vielleicht ein Tischtuch für hässliche Schultische? Ihr eigenes Trinkglas? Möglicherweise eine Leseleuchte, wenn Sie bei Schummerlicht einen Gruselroman lesen wollen? Oder eine Kerze, eine Blume … Natürlich dürfen Sie das nicht vergessen, was Sie Ihrem Publikum an Multimedia bieten wollen: Bilder, Klappentext, Cover im Hintergrund, Laptop mit Videoclips, Beamer, Leinwand und Lautsprecher etc.

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