Künstliche Intelligenz (KI) – Fluch oder Segen?

Ein neues technisches »Spielzeug« mischt derzeit alle Branchen auf, die mit Texten zu tun haben. Der Spiegel fasste kürzlich das Thema mit der Headline »Die Guten können damit noch besser werden, die Schlechten schlechter« zusammen.

Wie weiland das Schreckgespenst der »Translator«-Programme bei Übersetzern und Dolmetschern wie eine Bombe einschlug, so sorgen sich jetzt Texter und Autoren, aber auch Lehrende in Schulen und Universitäten um die Auswirkungen. Löst eine KI jetzt den Autor oder Texter ab?

Immerhin findet sie auf ziemlich viele Fragen eine Antwort. Die ist (noch) nicht immer hilfreich, aber die Systeme sind ja in der Lage zu lernen. Anwendungsbereiche dürfte es mehr als genug geben – von der Hilfe beim Lernen über das Vorstrukturieren komplexer Aufgaben reicht der Bogen natürlich auch bis zum Betrug. Die einen sind zuversichtlich, dass eine Künstliche Intelligenz niemals wirklich talentierte Menschen ausstechen kann. Andere befürchten, dass eher kriminell denn künstlerisch talentierten Menschen hier ein perfektes Hilfswerkzeug an die Hand gegeben wurde.

Bislang macht der Bot in Jura eine ziemlich gute Figur, Medizintests bestand er, allerdings nicht gerade mit überragenden Ergebnissen. Am bayerischen Abitur allerdings wäre er gnadenlos gescheitert – am schlechtesten schnitt er ausgerechnet in den Fächern Textanalyse und Deutsch ab (SpiegelOnline, 10.2.23).

Einsatzgebiete

Zeitungsverlage lassen heute schon Pressemeldungen von Künstlicher Intelligenz überarbeiten und natürlich gibt es auch in der Buchbranche nutzbringende Einsatzmöglichkeiten, im Kundenservice und dem Reklamationsmanagement würde sich das ebenso anbieten wie in der Fankommunikation. Auch für perfekt auf den Interessenten und die Buchhandlung abgestimmte Buchempfehlungen bietet die Künstliche Intelligenz große Vorteile. Die KI kann also viel Zeit und Ressourcen sparen – vorausgesetzt, man pflegt die Daten exzellent, auf die das System zugreift.

Roland Große Holtforth aus dem Sprecherkreis der IG Digital formuliert es etwa so: »Es ist also ein Gebot der Wirtschaftlichkeit, weniger kreative Aufgaben zumindest in Teilen an Technologien zu delegieren, damit wir uns ums Entscheidende kümmern können: unsere Kundschaft, unsere Kommunikation und die Entwicklung unseres Unternehmens.« Sein Kollege Hermann Eckel sieht für die Buchbranche die Möglichkeit, Romane zu generieren. Der Autor »füttert die KI und überarbeitet die Rohergebnisse. Ein solches Zusammenspiel von Mensch und Maschine könnte vor allem ein Szenario für Genreliteratur werden.«

Texterstellungstools gibt es ja nicht erst seit dem ChatGPT. Roman Schurter etwa beschreibt im IT-Channel von »buchreport«, wie sich eine Software namens Jasper im Alltag hilfreich einsetzen lässt. Der Nachteil der KI: Sie weiß nichts Inhaltliches zum gefragten Thema, das muss der Nutzer ihr vorgeben. Kreativität und Fantasie fehlen der KI, aber Jasper hat Millionen von Informationen aus dem Web analysiert und Muster studiert. Die KI weiß also, welche Überschriften, welche Texte in der jeweils gewünschten Tonart »funktionieren«. Und die KI ist in ihrem Aufgabenbereich schnell.

Wer hat ChatGPT erfunden?

Das 2015 gegründete US-amerikanische Start-up OpenAI, ein Konglomerat zwischen einer Non-Profit-Mutter und einer gewinnorientierten Tochtergesellschaft mit Sitz in San Francisco, brachte den ChatGPT, ausgeschrieben Generative Pre-trained Transformer, im November 2022 auf den Markt. Der Chatbot hat auf zwei Arten des »bestärkenden Lernens« trainiert, menschliche Antworten möglichst genau nachzuahmen. Sein Transformer (Sprachmodell) basiert auf einem Maschinenlernmodell von Google Brain.

Sieht man mal von den Nutzungsbedingungen ab, die innert kürzester Zeit zu einem öffentlich zugänglichen Profil von gesammelten Nutzerdaten führen können (oder werden, wenn diesen Bedingungen kein Riegel vorgeschoben wird), dann präsentiert sich hier ein – von vielen Seiten lang ersehntes – Hilfsmittel bei der Erstellung von Texten aller Art.

Gefahren

Dass damit so einige Gefahren einhergehen, dürfte klar sein. So befürchten Fachleute, dass ein Großteil der Nutzer die Antworten solcher Programme nicht hinterfragt, insbesondere dann nicht, wenn sie im Internet zu finden sind. Denn mit den Quellenangaben nimmt es der Bot nicht ganz so genau – inzwischen gibt es sogar das schöne Wort »Datenhalluzinationen« dafür.

Noch sind auch Haftungsfragen und urheberrechtliche Probleme ungeklärt. Michael Moorstedt forderte in der SZ-Netzkolumne: Wenn KI-Programme Texte verfassen, braucht es auch Programme, die sie als Urheber erkennen. Noch kommt wenig dazu aus der einschlägigen IT-Szene. Ein 22-jähriger Princeton-Student arbeitet inzwischen an einer KI, die KI-Texte erkennt. GPTZero hat er seine App genannt.

Ein riesengroßes Problem dürften derartige Chatbots für Schulen und Universitäten darstellen, die denn auch massiven Handlungsbedarf sehen – denn was sind Seminararbeiten und Hausaufgaben noch wert, wenn die KI so etwas deutlich schneller, einfacher und besser ausführt? Die Lehrenden können nicht feststellen, aus wessen Feder der eingereichte Text geflossen ist. Vermutlich wird man vermehrt auf mündliche Prüfungen ausweichen und diesen mehr Gewicht einräumen müssen. Die Geldgeber hinter OpenAI – allen voran Elon Musk und Microsoft, die schon länger mit OpenAI kooperieren – lassen es schon vermuten: Die Gefahr, dass einige große Konzerne über Wohl und Wehe der Kultur entscheiden, ist nicht von der Hand zu weisen.

Welche Chatbots gibt es noch?

Dass die Großen der IT-Branche sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen wollen, ist klar. Google platzte mit der Ankündigung von Bard, einem Konkurrenten für ChatGPT, heraus und prompt wollen Microsoft und andere nachlegen. Auch das deutsche KI-Unternehmen DeepL bringt nach dem Übersetzer nun auch DeepL Write, einen KI-Schreibassistenten für Deutsch und Englisch, heraus. Die Beta-Version gibt es seit Mitte Januar, derzeit ist sie kostenlos.

Alles muss jetzt ganz schnell gehen, damit der Konkurrent nur ja nicht die Nase vorn hat und womöglich das Rennen für sich entscheidet. Die Gefahr, dass dabei die bei Anwendern so »beliebte« Bananensoftware herauskommt, ist nicht zu unterschätzen. Noch knabbern alle Konzerne allerdings an der nötigen Rechnerleistung für die Chatbots und mit in die Knie gehenden Servern bei zu vielen Anfragen gleichzeitig.

Und die Buchbranche?

Vermutlich wird der Buchmarkt in Kürze deutlich mehr als ohnehin schon von Romanen nach 08/15-Erfolgsstrickmuster geflutet werden. Und vermutlich wird es auch eine Klientel geben, die sich darüber freut, dass die Lieblingsautorin jetzt nicht nur vierteljährlich einen neuen Roman herausbringt, sondern in dem Tempo, in dem die Stoffe gelesen werden. Wahrscheinlich treibt das den Preis für derartige Unterhaltungsliteratur noch weiter nach unten.

Qualität zwischen Buchdeckeln, die sich in ausgeklügelten Plots, Figuren mit Tiefgang, überraschenden, aber logisch immer nachvollziehbaren Wendungen, spritzigen Dialogen und frischen sprachlichen Bildern manifestiert, wird die KI noch eine ganze Weile nicht so draufhaben wie talentierte Autoren.

Fazit

Ich ganz persönlich glaube zunächst, dass auch dieses neue »Spielzeug« nicht so heiß gegessen werden muss, wie es derzeit gekocht wird. Es wird seinen Nutzen haben und zweifellos wird es auch Schaden anrichten.

Hier entwickelt sich gerade ein powervolles Hilfsmittel für alle, die mit dem Abfassen von Texten beschäftigt sind. Das erspart aber weder der textenden Branche noch den Lesern als »Endverbrauchern« eine Korrektur der KI durch MI (menschliche Intelligenz) und ein genaueres Hinterfragen. Ob nun am Ende das Hilfepotenzial überwiegt oder tatsächlich in großem Maße Arbeitsstellen in Gefahr sind, wird sich zeigen.

Nach oben scrollen